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Biometrische Daten nicht in private Hände

2024-06-13 14:02:26, kantorkel

Privatunternehmen sollen am Flughafen biometrische Daten aus dem Chip des Reisepasses auslesen dürfen – ein gefährlicher Präzedenzfall. Der CCC lehnt diesen Vorstoß entschieden ab und fordert die Streichung entsprechender Passagen im Gesetzentwurf.

Der Entwurf zum Vierten Bürokratieentlastungsgesetz sieht Änderungen im Passgesetz und im Luftverkehrsgesetz vor, die das Auslesen der Daten des Chips im Reisepass betreffen. Auf diesem Funkchip sind personenbezogene Informationen zum Passbesitzer gespeichert, darunter auch biometrische Daten. Die vorgeschlagenen Änderungen beziehen sich auf das biometrische Gesichtsbild.

Künftig sollen Luftfahrtunternehmen, Flughafenbetreiber und Bodenabfertigungsdienstleister dieses biometrische Gesichtsbild auslesen dürfen. Damit wären erstmals gewinnorientierte Privatunternehmen befugt, die Körperdaten aus dem Reisepass-Chip zu nutzen. Bislang war dies selbstverständlich nur bei hoheitlichen und damit behördlichen Grenzkontrollen erlaubt.

Sobald die ersten Privatunternehmen auf die staatlicherseits zwangsweise erhobenen Daten zugreifen dürfen, werden andere Branchen Schlange stehen, um auch Zugang zu diesen Informationen mit staatlichem Echtheitssiegel zu erhalten.

Der CCC fordert daher die Streichung der entsprechenden Passagen im Gesetzesentwurf. Flugunternehmen das Auslesen sensibler biometrischer Daten aus dem Chip des Reisepasses zu erlauben, ist völlig inakzeptabel. Wir verweisen auf unsere Stellungnahme zum Gesetzentwurf an das Justizministerium vom Februar.

„Der Privatisierung von biometrischen Daten aus amtlichen Dokumenten muss Einhalt geboten werden,“ sagte CCC-Sprecher Matthias Marx, „erst recht, wenn dieser schwere Eingriff in die Privatsphäre mit bloßen Komfortleistungen privater Unternehmen begründet wird.“

So freiwillig wie der Nacktscanner

Die biometrischen Daten des Gesichtes werden verpflichtend erhoben und auf dem Chip im Pass gespeichert. Diese Daten sollen explizit der Terrorismusabwehr dienen und nicht etwa einer biometrischen Fluggastabfertigung oder einer anderen Datenverarbeitung von Unternehmen oder Dienstleistern. Bei der Einführung des biometrischen Reisepasses 2005 wurde ausdrücklich gesetzlich festgelegt, dass die auf den Chips in den Reisepässen gespeicherten Daten nur behördlich für klar abgegrenzte Zwecke genutzt werden dürfen. Diese Begrenzung wird nun gezielt aufgeweicht.

Die neue biometrische Fluggastabfertigung soll bei einer geschätzten Fallzahl von knapp 38 Millionen privaten Flugreisen genutzt werden. Erwartet wird laut dem Entwurf eine Zeiteinsparung von einer Minute pro Fluggast, die aber eine Schätzung ist. Ob Passagiere dann statt 120 Minuten nur noch 119 Minuten vor Abflug am Flughafen sein müssen, geht aus dem Entwurf nicht direkt hervor.

Beim Check-in der Airline sollen die Reisenden fotographiert, biometrisch vermessen und mit Hilfe des Passes identifiziert werden. Mit der hoheitlichen Kontrolle am Flughafen hat das aber genau nichts zu tun.

Bisher darf von Privaten am Flughafen nur die maschinenlesbare Zone (MRZ) des Passes ausgelesen werden. Nun soll erstmals das Auslesen des Chips gestattet werden. Zwar soll Passagieren erlaubt sein, das automatisierte biometrische Verfahren abzulehnen und am Flugplatz keine Bildaufnahme zum Abgleich mit den Biometriedaten anfertigen zu lassen. Doch vielen Menschen dürfte es schwerfallen zu erkennen, ob eine Kontrolle am Flughafen hoheitlich ist oder nicht. Dass sie ohne jegliche Nachteile nur eine Bordkarte vorzeigen könnten statt sich einer biometrischen Vermessung zu unterziehen, werden wenige wissen.

Dass die betroffenen Personen tatsächlich informiert und freiwillig entscheiden könnten, ob sie die gespeicherten biometrischen Daten abgleichen lassen möchten, ist in der Flughafensituation nicht zu erwarten. In der Praxis wäre die biometrische Vermessung wohl genauso wenig freiwillig wie die Nutzung der Nacktscanner. Wenn man nämlich das Scannen ablehnt und stattdessen die normale Sichtkontrolle verlangt, drohen oft längere Wartezeiten.

„Dass sich jemand rechtfertigen oder Wartezeiten in Kauf nehmen müsste, wenn er Privatunternehmen den Zugang zu seinen biometrischen Daten verweigert, ist ein Unding,“ sagte CCC-Sprecher Matthias Marx. „Es darf weder Zwang noch Druck geben, sensible biometrische Daten preiszugeben.“

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