Die Verantwortlichen der elektronischen Patientenakte müssen die auf dem 38. Chaos Communication Congress demonstrierten Sicherheitslücken endlich schließen. Der Chaos Computer Club schließt sich einem offenen Brief an, in dem 28 Organisationen aus dem Gesundheitswesen und der Zivilgesellschaft Bundesgesundheitsminister Lauterbach auffordern, Transparenz im gesamten Prozess der ePA herzustellen.
Der Vortrag von Bianca Kastl und Martin Tschirsich auf dem 38. Chaos Communication Congress hat allen Interessierten gezeigt, dass Vertrauen in die elektronische Patientenakte (ePA) derzeit nicht gerechtfertigt ist. In der Folge haben sich viele Experten aus dem Gesundheitswesen erschüttert über die Analyse und die demonstrierten technischen und organisatorischen Mängel gezeigt.
„Die ePA in ihrem aktuellen Zustand auszurollen, ist angesichts ihrer besorgniserregenden Sicherheitsprobleme eine falsche Entscheidung. Denn die Behauptung, dass die ePA sicher ist, trifft nicht zu. Dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach dies wahrheitswidrig und unverfroren behauptet, leugnet die belegten und beweisbaren Schwachstellen“, sagt Calvin Baus, Sprecher des Chaos Computer Clubs.
Die gezeigten Probleme, die den Verantwortlichen bei der Gematik und im Ministerium teilweise schon länger als ein Jahrzehnt bekannt sind, werden weiter heruntergespielt und nicht ernst genommen. Da die Schwachstellen auch jetzt noch kleingeredet werden, ist es überfällig, die technischen Details des teuren Mammutprojekts offenzulegen.
Unabhängige Sicherheitsforschende müssen Zugang zu allen relevanten Unterlagen und Gutachten erhalten, um ein unverzerrtes Bild des aktuellen Stands der ePA erhalten zu können. Diese Dokumente dürfen nicht länger hinter verschlossenen Türen bleiben, sondern müssen umfassend geprüft werden können. Ohne eine deutliche Kurskorrektur wird es unmöglich sein, das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen.
In einem offenen Brief von 28 Organisationen aus dem Gesundheitswesen und der Zivilgesellschaft an Karl Lauterbach werden fünf wesentliche Schritte skizziert, wie dieses Vertrauen wiederhergestellt werden könnte. Der CCC schließt sich den Forderungen aus dem offenen Brief an.
Sehr geehrter Herr Bundesminister Lauterbach,
wir sind überzeugt, dass Deutschland und Europa eine gut gemachte digitale Infrastruktur des Gesundheitswesens benötigen und eine patient*innenorientierte ePA dazu einen wesentlichen Beitrag leisten kann. In den weiteren Entwicklungsprozess möchten wir uns daher konstruktiv einbringen. Zum Start der ePA haben wir zum jetzigen Zeitpunkt allerdings erhebliche Bedenken.
Sicherheitsforscher*innen zeigten Ende 2024 auf dem Congress des Chaos Computer Clubs gravierende Sicherheitslücken der ePA und der zugehörigen IT-Infrastruktur. In Kombination hätten diese Lücken Unbefugten einen Vollzugriff auf die Patient*innenakten aller 70 Millionen gesetzlich Versicherten erlaubt. Darüber hinaus sind wesentliche Schwächen im Umfeld der ePA weiterhin ungelöst, zum Beispiel Prozesse der Ausgabe von Gesundheitskarten.
Alle berechtigten Bedenken müssen vor einem bundesweiten Start der ePA glaubhaft und nachprüfbar ausgeräumt werden. Die nun gefundenen Sicherheitslücken zu schließen, ist dafür eine grundlegende Voraussetzung, aber alleine nicht ausreichend.
Die Bereitstellung einer Testinstanz der geplanten Infrastruktur sowie die Einführung über eine Testphase begrüßen wir. Das aktuelle Beispiel zeigt, wie Sicherheitslücken vor dem Start identifiziert werden können statt – wie bei ähnlichen Projekten in der Vergangenheit – erst im laufenden Betrieb. Ein Datenleck konnte so verhindert werden. Eine öffentliche Begutachtung durch Wissenschaft, zivilgesellschaftliche Akteur*innen und unabhängige Expert*innen ist eine wichtige Kontrollinstanz. Auf diese Weise werden Risiken im Vorfeld identifiziert, beseitigt und so letztlich auch das Vertrauen in die ePA gestärkt. Damit die ePA langfristig zu einem Erfolg werden kann, sind aus unserer Sicht folgende Maßnahmen notwendig:
In einen konstruktiven Prozess, der den Nutzen für Patient*innen in den Vordergrund stellt, bringen wir uns gerne ein.
Mit freundlichen Grüßen
AG Kritis
Ärzteverband MEDI Baden-Württemberg
BAG Selbsthilfe
Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen e. V. (BDP)
Björn Steiger Stiftung
Bundesverband Neurofibromatose
Bündnis für Datenschutz und Schweigepflicht (BfDS)
Chaos Computer Club (CCC)
D64 - Zentrum für digitalen Fortschritt
Deutsche Aidshilfe
Deutsche Alzheimer Gesellschaft
Deutsche DepressionsLiga
Deutsche Hörbehinderten Selbsthilfe e.V. (DHS)
Bundesverband Deutsche Multiple Sklerose Gesellschaft
Bundesverband Deutsche Rheuma-Liga
Bundesverband Deutscher Paritätischer Wohlfahrtsverband - Gesamtverband
dieDatenschützer Rhein Main
Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF)
Freie Ärzteschaft e. V.
Gen-ethisches Netzwerk
Humanistische Union
Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit (InÖG)
Kinder- und JugendlichenpsychotherapeutInnen in Westfalen-Lippe e.V.
LAG Selbsthilfe Rheinland-Pfalz
Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin
Patientenrechte und Datenschutz e. V.
SUPERRR Lab
Verbraucherzentrale Bundesverband
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