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CCC fordert digitale Brandmauer

6. März 2025, 06:00 Uhr, khaleesi

Wir brauchen eine digitale Brandmauer gegen den Faschismus. An die Union und die SPD richten wir zwölf Forderungen, die sie zügig umsetzen müssen, um den absehbaren Folgen des Rechtsrucks und den Bestrebungen von Trump und Co. Einhalt zu gebieten. Ein Ende der Überwachungsära muss her.

Der Start einer neuen Regierung in Deutschland geht einher mit einer Wende im transatlantischen Verhältnis und einer bisher ungekannten antidemokratischen Machtübernahme von Tech-Broligarchen in den Vereinigten Staaten. Massenhafte Überwachung durch Tech-Konzerne ist daher noch mehr als früher ein Politikum, das eine neue Regierung nicht ignorieren kann.

Als ein Zusammenschluss zivilgesellschaftlicher Organisationen fordern wir die Union und die Sozialdemokraten zur Errichtung einer „digitalen Brandmauer“ auf. Zwölf konkrete Forderungen sollen die kommende Bundesregierung daran erinnern, dass Grundrechte und Demokratie im digitalen Raum gestärkt und vor Missbrauch geschützt gehören.

Wir fordern einen ernsthaften Paradigmenwechsel in der deutschen Digitalpolitik, der dem absehbaren Machtmissbrauch vorbeugt. Die Weichen für eine digitale Zukunft müssen so gestellt werden, dass dem Überwachungsprimat endlich eine klare Absage erteilt wird. Und den US-Geheimdiensten gehört der Datenhahn auch abgedreht.

Offener Brief: Eine digitale Brandmauer errichten

Wir, die unterzeichnenden Organisationen, fordern die neue Bundesregierung auf, eine digitale Brandmauer gegen den Faschismus zu errichten. Diese digitale Brandmauer muss Missbrauchspotentiale minimieren, Menschen und gesellschaftliche Gruppen ermächtigen sowie Menschenrechte und demokratische Werte, insbesondere Freiheit, Gleichheit und Solidarität, schützen und fördern. Die aktuellen Geschehnisse in den USA zeigen auf, wie Datensammlungen und -analyse genutzt werden können, um einen Staat handstreichartig zu übernehmen, seine Strukturen nachhaltig zu beschädigen, Widerstand zu unterbinden und marginalisierte Gruppen zu verfolgen.

Der Koalitionsvertrag muss sich daher an diesen zwölf Mindestanforderungen messen lassen:

I. Bekenntnis gegen Überwachung

Es ist ein Irrglaube, dass zunehmende Überwachung einen Zugewinn an Sicherheit darstellt. Sicherheit erfordert auch, dass Menschen anonym und vertraulich kommunizieren können und ihre Privatsphäre geschützt wird. Zu oft werden aktionistische Vorschläge wie die Chatkontrolle, Vorratsdatenspeicherung oder biometrische Überwachung als technische Allheilmittel für komplexe gesellschaftliche Herausforderungen präsentiert – ohne ihre massiven Missbrauchspotenziale zu berücksichtigen. Stattdessen braucht es eine evidenzbasierte Politik, die differenzierte Lösungsansätze ohne Massenüberwachung verfolgt. Es ist die Aufgabe des Staates, Grundrechte zu schützen. Dazu gehört insbesondere auch, den Missbrauch von Maßnahmen, Befugnissen und Infrastrukturen durch die Feinde der Demokratie zu verhindern, heute und in Zukunft.

Wir fordern:

  • Die biometrische Massenüberwachung des öffentlichen Raums sowie die ungezielte biometrische Auswertung des Internets wird verboten. Insbesondere wird aktiv gegen jede Form von Datenbank vorgegangen, die ungezielt Bilder, Videos und Audiodateien aus dem Internet nach biometrischen Merkmalen auswertet. Die entsprechenden Befugnisse des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge werden zurückgenommen.
  • Anlasslose und massenhafte Vorratsdatenspeicherung wird abgelehnt. Stattdessen werden grundrechtsschonende und effektivere Maßnahmen der Strafverfolgung wie das Quick-Freeze-Verfahren und die Login-Falle verfolgt.
  • Eine automatisierte Datenanalyse der Informationsbestände der Strafverfolgungsbehörden sowie jede Form von Predictive Policing oder automatisiertes Profiling von Menschen wird abgelehnt. Die Kooperationen deutscher und US-Geheimdienste werden eingeschränkt, insbesondere wird jede Art von automatisiertem Massenaustausch von Inhalts- oder Metadaten unterbunden.
  • Die Überwachungsgesamtrechnung wird veröffentlicht, kontinuierlich fortgesetzt und der Umfang staatlicher Überwachungsbefugnisse dementsprechend gesetzgeberisch angepasst.

II. Schutz und Sicherheit für alle

IT-Angriffe wie die durch „Salt Typhoon“ zeigen die Gefahren staatlicher Hintertüren und unterstreichen: Die Stärkung von IT-Sicherheit und Ende-zu-Ende-verschlüsselter Kommunikation ist eine Frage gesamtgesellschaftlicher Resilienz. Gleichzeitig steht unabhängige und zivilgesellschaftliche Sicherheitsforschung, die Sicherheitslücken zum Wohle der Gesellschaft aufdeckt, immer noch unter Generalverdacht und wird kriminalisiert. Sicherheitslücken in Software müssen von allen staatlichen Stellen im Rahmen eines Schwachstellenmanagements konsequent an die Hersteller zur Behebung gemeldet werden. Sicherheit und Schutz dürfen dabei keine Frage von Privilegien sein, sondern müssen für alle Menschen gelten, insbesondere für marginalisierte Menschen und Gruppen.

Wir fordern:

  • Es wird ein Recht auf Verschlüsselung eingeführt. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, die Chatkontrolle auf europäischer Ebene zu verhindern und Ende-zu-Ende-Verschlüsselung sowie die Vertraulichkeit von Kommunikation insgesamt zu schützen.
  • IT-Sicherheitsforschung wird unterstützt statt kriminalisiert. Der Hackerparagraph wird abgeschafft. Es wird ein wirksames IT-Schwachstellenmanagement auch für Behörden eingeführt. Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik wird unabhängig aufgestellt.
  • Die Bundesregierung setzt sich für wirksamen Kinder- und Jugendmedienschutz ein, ohne dabei durch eine verpflichtende Altersverifikation die Grundrechte von Kindern und Jugendlichen zu unterminieren. Die anonyme und pseudonyme Nutzung des Internets wird geschützt und ermöglicht.
  • Die Abschaffung der Bezahlkarte für Geflüchtete und die Einstellung von Handyauswertungen durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich auf europäischer Ebene gegen die Sammlung personenbezogener Daten geflüchteter Menschen einzusetzen und ihre Privatsphäre und Autonomie zu respektieren.

III. Demokratie im digitalen Raum

Private Überwachung und Machtkonzentration müssen bekämpft werden. Die willkürliche und antidemokratische Machtausübung der Tech-Oligarchen um Präsident Trump erfordert einen Paradigmenwechsel in der deutschen Digitalpolitik und ein erneuertes Bekenntnis zu dezentralen öffentlichen Räumen sowie der konsequenten Rechtsdurchsetzung durch föderale Aufsichtsstrukturen. Gesunde digitale Räume leben auch von einer resilienten Gesellschaft mit starken digitalen Kompetenzen und einem demokratischen Diskurs, in dem digitale Gewalt keinen Platz hat. Dazu fordern wir ein Gewaltschutzgesetz, das seinen Namen verdient, einen Ausbau der digitalen Bildung und die Förderung des digitalen Ehrenamts.

Wir fordern:

  • Privater Machtmissbrauch von Big-Tech-Unternehmen wird durch durchsetzungsstarke, unabhängige und grundsätzlich föderale Aufsichtsstrukturen bekämpft, insbesondere in den Bereichen der Plattformregulierung, des Datenschutzrechts und des Kartellrechts.
  • Die Bundesregierung legt ein umfassendes Förderprogramm für digitale öffentliche Räume auf, die dezentral organisiert, gesellschaftlich eingebettet, interoperabel gestaltet und quelloffen programmiert sind.
  • Ein digitales Gewaltschutzgesetz wird eingeführt, das Betroffene konsequent in den Fokus stellt. Dazu gehören auch die Reform der Impressumspflicht, die Berücksichtigung gruppenbezogener digitaler Gewalt und die Förderung von Beratungs- und Hilfsangeboten.
  • Gute digitale Bildung, die Menschen befähigt und frei zugänglich ist, muss zur Priorität werden und allen gesellschaftlichen Gruppen, unabhängig von Alter und Bildungsgrad, zur Verfügung stehen. Wir fordern eine umfassende Strategie zur Förderung von Open Educational Resources und die Förderung des digitalen Ehrenamts.

Links

Aufruf zur Digitalen Brandmauer