Am Dienstag, den 7. November, wird die Große Kammer des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs drei Beschwerdeverfahren über die anlasslose Massenüberwachung durch die Regierung Großbritanniens und ihre Geheimdienste verhandeln. Die Beschwerden wurden von Bürgerrechtsorganisationen und Netzaktivisten ins Rollen gebracht.
Die drei Fälle „Big Brother Watch and Others v UK“, „10 Human Rights Organisations and Others v UK“ und „Bureau of Investigative Journalism and Alice Ross v UK“ werden nun vier Jahre nach Einreichung der Beschwerden beim EGMR mündlich verhandelt. [1]
Nachdem im Jahre 2013 Edward Snowdens Enthüllungen Einblicke in die staatlichen Massenüberwachungs- und Bespitzelungsprogramme gaben, die unter dem Namen TEMPORA und den US-Pendants PRISM und UPSTREAM tief in die Privatsphäre-Rechte von Bürgern eingreifen, entschlossen sich Big Brother Watch, English PEN, die Open Rights Group sowie Constanze Kurz, die Unrechtmäßigkeit höchstrichterlich feststellen zu lassen. [2]
In Frage steht die Rechtmäßigkeit der anlasslosen Überwachung und Sammlung persönlicher Daten durch die britischen Geheimdienste nach dem Gesetz Regulation of Investigatory Powers Act (RIPA). Die britischen RIPA-Überwachungsregularien waren ungerichtet in dem Sinne, dass wahllos und ohne jeden Verdacht oder Anhaltspunkt für irgendein Fehlverhalten persönliche Daten von EU-Bürgern angesammelt wurden, zudem faktisch unbefristet.
Dieses Überwachungssystem wird mit der Begründung angegriffen, dass es ohne ausreichende rechtliche Grundlage war, niemand dafür zur Rechenschaft gezogen wurde und keine adäquate Kontrolle über die Programme bestand, daher die Rechte der Bürger nach Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) verletzt wurden.
Das Bureau of Investigative Journalism reichte im Jahr 2014 eine Beschwerde beim EGMR ein, gefolgt von zehn Menschenrechtsorganisationen und weiteren Beschwerdeführern im Jahr 2015, nachdem durch das britische Investigatory Powers Tribunal ein Urteil ergangen war. Diese drei Fälle sind nun verbunden worden. Der Gerichtshof entschied sich ausnahmsweise für eine mündliche Anhörung.
Das Urteil über diese drei Beschwerden hat das Potential, Einfluss auf das derzeitige britische Überwachungssystem Investigatory Powers Act zu nehmen. Die rechtlichen Regelungen sind bereits vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) in der Watson-Entscheidung scharf kritisiert worden. Ein positives Urteil über die EGMR-Beschwerden wird die britische Regierung zur Beschränkung der übermäßigen Überwachungsbefugnisse zwingen und dazu, eine bessere rechtliche Kontrolle und einen höheren Schutz für die Bürger zu verwirklichen, etwa nachträgliche Benachrichtigungen über Überwachungsmaßnahmen.
Links:
[1] Die mündliche Anhörung beim EGMR am 7. November 2017
[3] Schnellverfahren am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wegen Geheimdienst-Spionage