Nachdem durch neue Veröffentlichungen bekannt wurde, daß Daten von und zu mindestens einem der Tor-Server, der vom Chaos Computer Club (CCC) in Deutschland betrieben wird, offenbar direkt in den Überwachungssystemen der NSA landen, sind Ermittlungen des Generalbundesanwalts Harald Range nun dringend geboten. Der CCC erweitert daher seine Strafanzeige vom Februar gegen die Verantwortlichen bei den Geheimdiensten und in der Bundesregierung um die neuen Fakten und fordert, die verbotene geheimdienstliche Agententätigkeit gegen den CCC und alle betroffenen Nutzer des Anonymisierungsnetzwerks Tor zu ahnden.
Durch die Veröffentlichung von Teilen des Suchmuster-Programmcodes des NSA-Systems XKeyScore [1], [3] wurde beweisbar, daß der Datenverkehr zu einem vom CCC betriebenen Server des Anonymisierungsnetzes Tor gezielt erfaßt und gespeichert wird. Aus anderen Dokumenten aus dem Snowden-Fundus ist zwar klar geworden, daß auch die NSA derzeit nicht in der Lage ist, Tor großflächig zu deanonymisieren. Die Tatsache der nunmehr dokumentierten Überwachung des CCC-Servers beseitigt jedoch jegliche letzte Zweifel darüber, ob die NSA auch gegen Ziele in Deutschland aggressiv vorgeht.
Die gemeinsam mit der Internationalen Liga für Menschenrechte e. V. und Digitalcourage e. V. erstellte Strafanzeige, [2] der sich 1.800 Menschen angeschlossen haben, ist bisher vom Generalbundesanwalt nicht für Ermittlungen genutzt worden. Bis heute liegt den bevollmächtigten Rechtsanwälten über die Entscheidung, keine Ermittlungen wegen der Totalüberwachung einzuleiten, weder eine Information noch eine Begründung vor. Warum Harald Range zwar wegen des Abhören des Mobiltelefons einer prominenten Einzelperson tätig wird, jedoch nicht bei der massenhaften Überwachung großer Teile der gesamten Bevölkerung, ist nicht nachvollziehbar.
Daher fordern wir den Generalbundesanwalt auf, seine Arbeit aufzunehmen und endlich tätig zu werden, um sich nicht vollends lächerlich zu machen. Das unverantwortliche Hinauszögern der Ermittlungen über die Verbrechen und Vergehen in dem Geheimdienst-Skandal verstärkt den Verdacht, daß der Generalbundesanwalt den Kotau gegenüber in- und ausländischen Diensten auch noch in der Justiz fortsetzt.
Durch die aktuelle Diskussion um einzelne Spione im Bundestag und in den Ministerien droht der eigentliche Skandal unterzugehen: die massenhafte Überwachung und die Kriminalisierung derjenigen, die sich vor der Geheimdienst-Kontrolle im Internet schützen wollen. Der Verantwortliche für die US-Geheimdienst-Aktivitäten in Deutschland, den die Bundesregierung nun gebeten hat, das Land zu verlassen, sollte vom Generalbundesanwalt zunächst befragt, gegebenenfalls angeklagt und vor ein Gericht gestellt werden.
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