Kürzlich stellte der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) sein Lernkonzept Lernplan plus der Presse vor. Das CCC-Projekt Chaos macht Schule arbeitet seit 2008 mit Heranwachsenden und begrüßt ausdrücklich diesen Vorstoß. Durch diese Initiative gibt es endlich die Chance, die Nutzung neuer Medien und Techniken angemessen in den Lehrplänen zu verankern.
Chaos macht Schule ist ein Projekt des Chaos Computer Clubs (CCC). Dessen Ehrenamtliche arbeiten gemeinsam mit Schülern, Eltern und Lehrern an der Förderung der Technik- und Medienkompetenz. Im Laufe des Projektes stellte Chaos macht Schule große Defizite fest. Selbst ausgebildete Lehrer wissen oft weniger über den Umgang mit dem Internet als die ihnen anvertrauten Schüler. Aber auch Eltern sind noch zu selten mit dem Medium vertraut und über die Internetnutzung ihrer Kinder informiert.
Der Lernplan plus des BLLV bietet gute Lösungsansätze. Die Lehrer fordern, die Hälfte der Inhalte zu streichen und einen stärkeren Fokus auf die Art des Lernens zu setzen. Schüler sollen in der selbständigen Informationsbeschaffung gefördert werden. „Zahlreiche Webseiten bieten Faktenwissen mit einem Mausklick“, sagte Jan Girlich vom Projekt Chaos macht Schule, „daher begrüßen wir den Vorstoß des BLLV ausdrücklich.“ Der Lernplan bietet Lehrern die Möglichkeit, einen unübersichtlichen Themenkomplex greifbar für Schüler zu gestalten. Die resultierende Verschlankung des Lehrplans vermindert den Druck und ist ein guter Weg zu einer modernen Schule. Ein weiterer Fokus liegt in der Medienkompetenz – also dem Umgang mit moderner Technologie, der Informationssuche und Recherche, Meinungsbildung und der Fähigkeit, eine vernünftige Quellenkritik zu betreiben.
Die geforderten Punkte des BLLV zur Förderung der Medienkompentenz stimmen mit den Forderungen des Projekts Chaos macht Schule überein. Das Projekt des CCC geht dennoch einen Schritt weiter. Im Rahmen unserer Arbeit kristallisierten sich folgende weitergehende Forderungen heraus:
Der schnellen Entwicklung moderner Technologien soll bereits in der Lehrerausbildung Rechnung getragen werden. Medienkompetenz muss dabei einen bedeutenden prüfungsrelevanten Anteil haben, um nicht wie bisher vernachlässigt zu werden, da die Professorenschaft hier selbst Defizite hat. Lehrer sollen die nötigen Mittel an die Hand bekommen, um mit den aktuellen Themen Schritt halten und diese ihren Schülern vermitteln zu können; der Lehr- bzw. Lernplan muss dynamischer werden.
Vielen Menschen ist nicht bewusst, welche Konsequenzen der unsachgemäße Umgang mit sensiblen Daten für sich und andere nach sich ziehen kann. Je stärker wir datenverarbeitende Systeme in unser aller Alltag integrieren, desto wichtiger wird es, dass sich Lehrer und Schüler darüber bewusst sind, wie Daten genutzt werden und wie man seine Daten vor Missbrauch schützen kann.
Defizite hinsichtlich der Technik- und Medienkompetenz im Bildungssystem sind vielen Organisationen bekannt. Für eine nachhaltige Verbesserung im Schulsystem ist eine umfangreiche Mitwirkung von Schulbehörden und Bildungspolitikern zwingend notwendig, vor allem jedoch eine verbesserte finanzielle Ausstattung der Schulen.
In der Schule soll der Umgang mit freien Textverarbeitungsprogrammen statt nur mit den Programmen des Monopolisten gelehrt werden. Derzeit wird eine bedenkliche Softwaremonokultur unterstützt, die Schüler in die Abhängigkeit von Produkten weniger kommerzieller Anbieter treibt. Medienkompetenz heißt auch, gelernt zu haben, sich bisher unbekannte Software und Konzepte schnell anzueignen.
Knappe Schulkassen können durch den Verzicht auf teure Lizenzen entlastet werden, insbesondere durch den Einsatz kostenloser und längst etablierter Open-Source-Lösungen. Das gilt sowohl für Schulbücher und Unterrichtsmaterialien als auch für Software und Kulturgüter. Unternehmen stellen Lehrmaterialien bereit, um Schüler schon in frühen Jahren an ihre Produkte und Marken heranzuführen und sich dadurch einen wirtschaftlichen Vorteil zu verschaffen. Schüler sollen jedoch unabhängig von Verwertungsinteressen unterrichtet werden. Lehrkräften sollen deshalb unabhängige Lehrmaterialien zur Verfügung gestellt werden.
Wikis, Etherpads, Konferenz-Werkzeuge und weitere Techniken des verteilten Arbeitens gewinnen an Bedeutung und sollen so früh wie möglich vermittelt werden.
Wir brauchen ein Bildungsystem, das mit heutigen und zukünftigen Anforderungen an unsere Gesellschaft Schritt halten kann. Neue Ideen sollten nicht beim Lehrplan Halt machen. Gebraucht wird ein Gesamtkonzept, das auch die Lehrerausbildung von Beginn an mit einbezieht. "Ohne ein grundsätzliches Umdenken wird in Zukunft nur noch ein kleiner Teil der Gesellschaft dem technologischen Wandel unserer Zeit folgen können", sagt Martin Vietz vom Projekt Chaos macht Schule. "Es ist daher höchste Zeit, der Bedeutung des digitalen Wandels auch in der Schule Rechnung zu tragen."