Das sogenannte Telekom-Paket ist eine umfassende Sammlung neuer Regelungen des Europäischen Parlaments für die Rechte von Verbrauchern auf dem Telekommunikationsmarkt. Neben vielen begrüßenswerten Neuregelungen zugunsten der Verbraucher sollen jedoch gleichzeitig die Nutzer von Tauschbörsen verfolgt und Internetsperrungen ermöglicht werden. Derweil planen deutsche Politiker die Einführung einer umfassenden Internet-Zensurinfrastruktur.
Am heutigen Donnerstag wird der EU-Ministerrat das Telekom-Paket, das aus mehreren neuen Richtlinien für elektronische Kommunikation (Mobil- und Festnetztelefonie, Rundfunk und Internet) besteht, erneut verhandeln. Eigentlich gehören Inhalte von Kommunikation nicht in den Kompetenzbereich von europäischen Richtlinien, die Lobbyisten der Musik- und Filmindustrie haben jedoch ganze Arbeit geleistet. Wird das Telekom-Paket unverändert beschlossen, droht in zwei Jahren in Deutschland eine weitere Verschärfung der systematischen Überwachung der Telekommunikation und eine neue Jagd auf Filesharer bis hin zu Internetentzug ohne richterlichen Beschluss.
Unter dem Deckmantel der Regulierung des Telekommunikationsmarktes sollen in dem Paket grundlegende Freiheitsrechte der Europäer beschnitten werden. Das Recht auf freien und ungehinderten Zugang zu Kommunikation und Information wird dem Profitstreben der Unterhaltungsmafia geopfert. Ohne Zugang zum Internet ist der Mehrheit der Deutschen eine normale Lebensführung jedoch nicht mehr möglich. Ein Studium an einer deutschen Universität ist z. B. ohne Internetnutzung undurchführbar, da alle wesentlichen Informationen und Verwaltungsvorgänge elektronisch übermittelt werden. Mit der Umsetzung der von der Bundesregierung propagierten eGovernment-Ziele kommt ein Ausschluss vom Internet de facto einem Entzug der Bürgerrechte gleich.
Zeitgleich versuchen konservative Internetausdrucker wie Familienministerin Ursula von der Leyen und Wirtschaftsminister Michael Glos unter der Flagge "Bekämpfung von Kinderpornographie" eine flächendeckende Internet-Zensurinfrastruktur durchzudrücken. Der CDU-Plan sieht vor, Provider zur Installation von Filtersystemen zu verpflichten. Internet-Routerhersteller bieten solche Geräte gern zur "Optimierung der Bandbreitennutzung" für Internetanbieter an. Dass sie ohne weiteres zur Zensur beliebiger Internetinhalte benutzt werden können, ist bislang kaum bekannt. Mit der durchgehenden Installation solcher Zensurgeräte wäre das komplette Ausblenden missliebiger oder oppositioneller Inhalte für den Normalnutzer problemlos möglich. Einzig die Frage, wer nach welchen Kriterien die Zensurlisten verwaltet, ist dann noch von Belang.
Damit begeben sich Europa und Deutschland auf eine Stufe mit Diktaturen und Unterdrückungsregimes, die ihre Bevölkerung nach eigenem Bekunden auch nur vor 'schlechten Einflüssen' schützen wollen, sagte CCC-Sprecher Dirk Engling. Die für Innovation, Fortschritt, Meinungsfreiheit und gesellschaftliche Entwicklung zwingend notwendige Netzneutralität wird damit ausgehebelt.
Die Unterdrückung von Kinderporno-Seiten ist nur der Vorwand, um eine solche Zensurinfrastruktur einzuführen. Gesellschaftliche Probleme wie Kinderpornographie sind jedoch nicht durch Wegschauen und Ausblenden zu lösen. Stattdessen müssen die Strafverfolgungsbehörden endlich mit genügend Personal und Infrastruktur ausgerüstet werden, um effektiv und gezielt gegen die Hersteller und Verbreiter von Kinderpornographie vorzugehen. Die Regierung versucht hier wieder einmal, untaugliche und ineffiziente Maßnahmen als Lösung zu verkaufen, anstatt ausreichend Ressourcen für wirksame und zielführende Vorgehensweisen bereitzustellen.
Der Chaos Computer Club wendet sich gegen jede Form der Einschränkung des Zugangs zu ungehinderter Kommunikation und Information. Der freie Informationsaustausch ist einer der Grundpfeiler der westlichen Zivilisation und darf nicht Profitinteressen von Medienkonzernen oder vorgeblicher Kriminalitätsbekämpfung geopfert werden. Anstatt den Zugang zum Internet endlich als elementare Voraussetzung für die kulturelle Teilhabe und Umsetzung des Menschenrechts auf Information und Kommunikation anzuerkennen, diskutieren Politiker nach wie vor, unter welchen Voraussetzungen Menschen von diesem Medium ausgeschlossen werden können.
Wieder einmal werden hier Geist und Buchstabe der Verfassung ignoriert. Ob dies nun aus Unfähigkeit oder Böswilligkeit geschieht, ist mittlerweile unerheblich geworden, fasste CCC-Sprecher Dirk Engling zusammen.