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CCC: Kabinett verspielt beim Entwurf zum Urheberrecht die Weichenstellung für die Zukunft und kriminalisiert die Schulhöfe

2006-03-22 00:00:00, kerstin

Zum heutigen Kabinettsentwurf des sogenannten "zweiten Korbs" der Urheberrechtsnovelle drückt der Chaos Computer Club e. V. (CCC) seine tiefe Enttäuschung über das kurzsichtige Handeln der Bundesregierung und ihre weitgehende Ignoranz gegenüber Verbraucherinteressen aus. Nach Ansicht des CCC führt insbesondere die Streichung der Bagatellklausel aus dem Entwurf zu einer Kriminalisierung breiter Bevölkerungsschichten. Den Buchstaben des Entwurfes folgend müßte es nach Inkrafttreten des Gesetzes zu einer Verhaftungswelle auf den Schulhöfen kommen.

Mit dem Kabinettsentwurf wird deutlich, daß die Lobbymacht der Rechteverwerter am Ende stark genug war, um Jusitizministerin Brigitte Zypries (SPD) einknicken zu lassen. Die von ihr selbst als Kompromiß in die Debatte eingebrachte Bagatellklausel für das geringfügige Anbieten und Herunterladen von Medien in Dateitauschdiensten fehlt nun vollständig. Weitere Verbraucherrechte werden in dem Entwurf ebenfalls nicht beachtet, das Papier liest sich streckenweise wie eine Wunschliste der Unterhaltungsindustrie. Weiterhin bleibt das Lippenbekenntnis zur Privatkopie bestehen, die Verbraucherrechte laufen allerdings sofort ins Leere, wenn die Industrie ihre Produkte mit Digitalem Rechtemanagement (DRM) ausstattet und das Anfertigen von Kopien somit zur strafbaren "Umgehung von Kopierschutzmechanismen" macht.

Auf weitere Probleme mit DRM für die Verbraucher geht der Entwurf ebenfalls nicht ein. Nach Ansicht des CCC fehlt das klare Bekenntnis zu Interoperabilität und Datenschutz. So schreibt der Entwurf – anders als im Nachbarland Frankreich kürzlich beschlossen – nicht vor, daß beim Einsatz von DRM Hersteller auch Schnittstellen bereitstellen müssen, um DRM-behaftete Medien zu sichern. Der Verbraucher muß in Kauf nehmen, daß er seine digitale Musiksammlung mit DRM verliert, wenn sein Abspielgerät kaputtgeht. Auch dem Streben der Industrie, DRM zum Ausspähen von Kunden einzusetzen, muß ein Riegel vorgeschoben werden. Informationen aus DRM dürfen nicht benutzt werden, die Art und Weise sowie die Intensität des privaten Werkgenusses aufzuzeichnen oder an eine zentrale Stelle zu übermitteln. Dabei handelt es sich nicht um Gedankenspiele. Ende 2005 brachte die Firma Sony mehrere DRM-behaftete CDs auf den Markt, die auf den Computern von nichtsahnenden Verbrauchern virenähnliche Schadprogramme einnisteten. Eine generelle Kennzeichnungspflicht für mit DRM versehene Medien ist dringend geboten. In Form und Gestaltung sollte sich diese an den Warnhinweisen auf Zigarettenpackungen orientieren.

Der Chaos Computer Club fordert die verantwortlichen Politiker in den Ausschüssen und in Bundestag und Bundesrat auf, dem vorliegenden Gesetzesentwurf nicht zuzustimmen. Die Folgen für die Zukunft der digitalen Gesellschaft wären fatal. Verbraucherrechte wie Datenschutz und das Recht auf Privatkopie dürfen nicht hinter Industrieinteressen zurückstehen. Ein in sich widersprüchlicher Gesetzentwurf, der einerseits ein bißchen Privatkopie erlaubt, andererseits jede "Umgehung" kriminalisiert und den Rechteverwertern einen Blankoscheck in Sachen DRM ausstellt, ist nicht hinnehmbar. Anstatt den Startschuß zu geben zu einer zu erwartenden Überlastung der Gerichte durch die massenhafte Verfolgung meist jugendlicher Filesharer, muß die Politik in erster Linie den Verbraucher vor einer immer hemmungsloser werdenden Rechteverwerterlobby schützen.