Ab 1. November 2005 wird in Deutschland ein neuer Reisepaß (ePass) eingeführt. Bürgerrechtsorganisationen weisen auf die unausgereifte Technik, hohe Kosten und zunehmende Überwachungstendenzen hin.
Ab 1. November 2005 wird in Deutschland ein neuer Reisepaß (ePass) eingeführt. Er enthält erstmals als biometrisches Datum das Bild des Paßinhabers in elektronischer Form. Diese Information wird auf einem Funk-Mikrochip (RFID) gespeichert. Ab dem Jahr 2007 wird zusätzlich der elektronische Fingerabdruck aufgenommen.
Nach einer Studie des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) ist die neue Technologie weder praxistauglich noch ausgereift. Zudem eröffnet sie neue Formen der überwachung. Das Ganze muß der Bürger über Steuergelder und erhöhte Paßgebühren auch noch bezahlen.
Nach und nach werden in den nächsten Jahren alle deutschen Paßinhaber auf den Meldeämtern einer Prozedur unterzogen, die der erkennungsdienstlichen Behandlung von Kriminellen gleicht. Ein Bild ihres Gesichtes und ihrer Fingerabdrücke werden aufgezeichnet. In Folge der Einführung der biometrischen Ausweisdokumente wird das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt, denn die im ePass gespeicherten Daten können an internationalen Grenzen ausgelesen und in Datenbanken gespeichert werden. Niemand weiß, wer Zugriff darauf hat und was mit den sensiblen biometrischen Daten weiter passiert.
Es ist nicht erkenntlich, welche Vorteile der ePass bringt. Um Ausweisdokumente fälschungssicherer zu machen, ist die Speicherung neuer personenbezogener Daten nicht nötig. Soll die überprüfung der Zusammengehörigkeit von Ausweisträger und Ausweis verbessert werden, ist die Erfassung der Fingerabdrücke aller deutschen Staatsbürger unverhältnismäßig. Professionelle Straftäter oder gar Terroristen können weiterhin auf Ausweisdokumente anderer Staaten ausweichen.
Nach Auffassung der Humanistischen Union (HU), des Chaos Computer Clubs (CCC), des Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FifF), der JungdemokratInnen/Junge Linke und des Netzwerk Neue Medien wird hier ein Sicherheitsplacebo mit inakzeptablen bürgerrechtlichen Nebenwirkungen zwangsverabreicht. "Kein Bürger sollte glauben, durch die Biometrie in Ausweisen könnten Terroristen gefangen werden. Schließlich haben die Täter in der Vergangenheit immer einen gültigen Paß besessen," sagt Andy Müller-Maguhn, Sprecher des CCC. Zudem bleibt der Reisepaß gültig, wenn der Chip nicht mehr funktioniert.
Doch der ePass ist erst der Anfang. Der nächste Schritt ist der biometrische Personalausweis. "Ohne erkennbaren Sicherheitsgewinn baut die Bundesregierung eine überwachungsinfrastruktur mit hohem Mißbrauchspotential auf. Das entspricht nicht unserem Demokratieverständnis," erklärt Dr. Christoph Bruch, Mitglied des Bundesvorstandes der HU. Biometrische Verfahren und die eingesetzten Funkchips bieten mannigfaltige Möglichkeiten zur überwachung von Menschen. Und daß einmal installierte Technologien zur Identifizierung und Überwachung die Begehrlichkeiten von Geheimdiensten, Ermittlungsbehörden, aber auch kommerziellen Unternehmen wecken werden, ist kein neues Phänomen.
Mit dem Argument, die neuen Dokumente seien ein Werkzeug gegen den Terrorismus, findet eine gigantische Verschwendung von finanziellen Ressourcen statt, die weit sinnvoller zur tatsächlichen Terrorismusprävention verwendet werden könnten. Die Kosten von 59 bzw. 91 Euro, die der Paßinhaber tragen muß, decken die finanziellen Aufwendungen für die Einführung der biometrischen Pässe dabei nicht einmal.
Wozu also die praxisuntaugliche Technologie, über deren Einführung ohne gesellschaftliche Debatte über die Köpfe der Bürger und des Parlaments hinweg entschieden wurde? Weshalb die überstürzte Einführung? Der Verdacht liegt nahe, daß hier Lobbyisten ganze Arbeit geleistet haben und wirtschaftliche Interessen massiv unterstützt werden sollen. Die marode Bundesdruckerei mit ihren undurchsichtigen Eigentumsverhältnissen und die auf ein Riesengeschäft lauernde Biometrieindustrie erwarten blendende Umsätze. Der Bürger hingegen darf sich auf mehr Überwachung, neue digitale Datensammlungen und eine Technik, die nachweislich noch nicht einsatzreif ist, freuen.