Der Chaos Computer Club (CCC) wendet sich gegen die von Bundesinnenminister Schäuble (CDU) geäußerten Gedanken, die Autobahnmaut zur Fahndung und Überwachung zu nutzen. Der CCC fordert die Bundesregierung auf, Pläne zur Änderung des Mautgesetzes vom Tisch zu nehmen und den Einsatz der Kontrolldaten weiterhin nur im Rahmen der Mautabrechnung zu erlauben. Damit erneuert der CCC seine Kritik an den datenschutzrechtlich bedenklichen Teilen des deutschen Mautsystems.
Auf Schäubles Initiative hin sollen die bisherigen gesetzlichen Regelungen zum Datenschutz bei Mautkontrollen ausgehöhlt werden. Die damit anfallenden Bewegungsprofile aller Autobahnbenutzer kämen nach Einschätzung des CCC einer Dauerbeschattung des Autobahnverkehrs gleich.
Bei der Kontrolle der LKW-Maut auf bundesdeutschen Autobahnen werden bisher stichprobenartig Überprüfungen an automatischen Kontrollpunkten (Mautbrücken) vorgenommen. Dabei werden von allen durchfahrenden Fahrzeugen Frontalbilder aufgenommen. Bei einem anschließenden Durchgang wird aufgrund der Fahrzeugabmessungen entschieden, ob es sich um einen mautpflichtigen LKW handelt, Datensätze von nicht-mautpflichtigen Fahrzeugen werden nach den Maßgaben des Mautgesetzes sofort gelöscht. Auf dem Foto eines mautpflichtigen Fahrzeugs wird anschließend vom Erkennungscomputer per Schrifterkennung (OCR) das Nummernschild ausgelesen. Es besteht die technische (aber nicht legale) Möglichkeit, die Daten aller Fahrzeuge an die Zentrale zu melden.
Bereits im November 2003 hatte der CCC vor einer drohenden totalen Verkehrsüberwachung, die durch die LKW-Maut möglich wurde, gewarnt. Die Erklärung erfolgte zusammen mit den Bürgerrechtsgruppen Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF), Internationale Liga für Menschenrechte (ILfM), Verein zur Förderung des öffentlichen bewegten und unbewegten Datenverkehrs (FoeBuD), Fördervein Informationstechnik und Gesellschaft (FITUG), Humanistische Union (HU) und der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD). Die jetzigen Pläne des Innenministers bestätigen die damaligen Befürchtungen auf ganzer Linie. Nach Ansicht des CCC drängt sich hier der Verdacht auf, daß das Mautkontrollsystem von Anfang an nicht für die angeblichen Praxiszwecke der Abrechnung geplant war, da es ansonsten auch kostendeckend produziert hätte werden können.
Nach Meinung des CCC rechtfertigt der Wunsch nach Fahndungserfolgen keine Abschaffung des Datenschutzes und den Angriff auf Grundrechte. Eine Dauerbeschattung aller Verkehrsteilnehmer hätte nach Einschätzung von Datenschützern langanhaltend schädliche Auswirkungen auf das öffentliche Leben. Unter dem Eindruck ständiger Überwachung würde sich das Verhalten der Menschen ändern, um der ständigen Beobachtung durch den Staat zu entgehen. Am Ende würde an die Stelle von demokratisch wachen Staatsbürgern der undemokratische Überwachungsstaat treten.
Der erst vor wenigen Tagen vereidigte Innenminister hat hier bei den ersten Orientierungsversuchen im neuen Amt deutlich den Bogen überspannt. Sein Vorhaben ist dabei auch parteiintern umstritten: Schon im Mai 2005 wies der verkehrspolitische Sprecher der CDU-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, Heinz Hardt, gegenüber dem WDR auf die mangelnde Demokratieverträglichkeit solcher Forderungen hin ("Der Bürger hat ein Anrecht darauf, daß nicht alles verfügbar gemacht wird") und verwies auf die immensen Kosten, die ein Einsatz der Mautdaten für die Fahndung mit sich bringen würde: "Ich stell' mir die Mammut-Bürokratie vor, all diese Daten auseinanderzufieseln, um eventuell mal irgendwas zu finden, ich glaube, das ist jetzt des Guten zuviel."
Der CCC fordert die neue Bundesregierung auf, die datenschutzrechtlichen Bestimmungen des Mautgesetzes nicht anzutasten und den nicht finanzierbaren Datensammelphantasien Schäubles eine Absage zu erteilen. Die nach wie vor bestehenden Mißbrauchsmöglichenkeiten des Mautkontrollsystems sollte die Bundesregierung nach Meinung des CCC eher zum Anlaß nehmen, über ein Konzept zur Demontage der Mautbrücken nachzudenken.