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CCC fordert, den Vorschlag zur Chatkontrolle endlich zurückzuziehen

2024-07-01 10:46:03, 46halbe

Die Idee der Chatkontrolle ist ein Angriff auf Verschlüsselung und bleibt eine Bedrohung für alle Menschen, die auf sichere private Kommunikation angewiesen sind. Deshalb fordert ein Bündnis aus mehr als vierzig europäischen Organisationen, die sich für Bürgerrechte und Kinderschutz engagieren, von dem gefährlichen Vorschlag der Chatkontrolle abzusehen und stattdessen endlich Maßnahmen für wirksamen Kinderschutz zu ergreifen.

Dass die geplante Verordnung zur Chatkontrolle eine Überwachungsinfrastruktur aufbauen und das Ende der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung einläuten würde, ist technisch unausweichlich. Deswegen gibt es anhaltenden Protest gegen das Vorhaben von all jenen, denen die Bedeutung sicherer Kommunikation klar ist. Aber auch die Kinderschutzverbände kritisieren die Chatkontrolle-Idee: Sie ist schlicht unwirksam beim Schutz von Kindern.

Der Schutz von Kindern vor sexueller Gewalt ist ein wichtiges Anliegen, das alle unterzeichnenden Organisationen unterstützen. Doch wenn das EU-Vorhaben weder diesen Schutz noch irgendwelche sinnvollen Lösungen anbietet, sondern stattdessen eine neue Form der Massenüberwachung etablieren wird, dann muss diese schon viel zu lange diskutierte Idee der Chatkontrolle endlich beerdigt werden. Sie schafft Gefahren für alle Menschen, insbesondere auch für Kinder.

Wir fordern zusammen mit dem Kinderschutzbund: Der Entwurf der Chatkontrolle-Verordnung soll sofort zurückgezogen und stattdessen an echtem Kinderschutz gearbeitet werden.

Statement on the future of the CSA Regulation

Deutsche Übersetzung:

Am 20. Juni 2024 war die belgische EU-Ratspräsidentschaft das nun vierte Land, dem es nicht gelang, eine Einigung über die umstrittene Verordnung zur Chatkontrolle (gegen sexuellen Kindesmissbrauch (Child Sexual Abuse, CSA)) zu erzielen. Dieser ungewöhnliche Umstand ist ein Symptom dafür, wie fehlerhaft und irregeleitet der ursprüngliche Verordnungsvorschlag war.

Das von der Europäischen Kommission erstmals 2022 vorgeschlagene Gesetz wird als Chatkontrolle bezeichnet, weil es, wie von juristischen und technischen Experten bestätigt, auf eine allgemeine Überwachung der privaten Kommunikation hinauslaufen und die IT-Sicherheit durch das Brechen der Verschlüsselung untergraben würde – und zwar ohne den Nachweis, dass es überhaupt sein Ziel, nämlich Kinder zu schützen, erreichen würde.

Trotz zwei Jahren intensiver interner Verhandlungen ist es dem Rat der EU, der die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten vertritt, nicht gelungen, einen Konsens über den Verordnungsvorschlag zu erzielen. Mehrere Mitgliedstaaten, insbesondere Polen und Deutschland, haben eine Bestätigung gefordert, dass das künftige Gesetz mit der Charta der Grundrechte der EU vereinbar ist. Die zuständige Generaldirektion der Europäischen Kommission (GD HOME) war nicht in der Lage, solche Garantien abzugeben – und sah sich stattdessen mit Skandalen konfrontiert im Zusammenhang mit Interessenkonflikten und gezielter Online-Werbung zur Unterstützung dieses Verordnungsvorschlages, dabei unrechtmäßig auf die Religion der Menschen zielend.

Das erneute Scheitern bei einer Einigung unterstreicht nur die Tatsache, dass es keine magische Techniklösung für das ernste, komplexe und gesellschaftliche Problem des sexuellen Kindesmissbrauchs gibt. Der Gedanke, dass fehlerhafte KI-Technologie die Antwort sein könnte, läuft auf Techno-Solutionismus hinaus und stößt auf heftige Kritik, unter anderem wegen:

  • Gefährdung der einvernehmlichen sexuellen Eigendarstellung von Jugendlichen;
  • Bedrohung von Journalisten, Menschenrechtsverteidigern, Ärzten, Anwälten, Politikern, Geheimdiensten, queeren Menschen und alle anderen, die auf sichere private Kommunikation angewiesen sind;
  • Beschuldigung Unschuldiger, die im Schleppnetz hängenbleiben.

Kürzlich erregte die für Werte und Transparenz zuständige EU-Kommissarin Věra Jourová öffentliche Aufmerksamkeit, als sie – zum ersten Mal – zugab, dass die vorgeschlagene Verordnung Verschlüsselung brechen würde. Dies sollte auch dem letzten EU-Gesetzgeber beweisen, dass dieser Verordnungsvorschlag nicht sinnvoll ist.

Wir, die unterzeichnenden Organisationen für digitale Rechte, Menschenrechte und Kinderschutz, sprechen uns daher für folgende Empfehlungen aus: Der Rat und das Europäische Parlament sollten von der Europäischen Kommission verlangen, den Entwurf der Verordnung zurückzuziehen und stattdessen:

  • die Zusammenarbeit mit Kinderrechtsgruppen, Kinderschutzanwälten, digitalen Menschenrechtsgruppen, IT-Sicherheitsexperten und anderen Technikern suchen, um neue technische und nicht-technische Lösungen zu entwickeln, die wo nötig in rechtmäßiger und zielgerichteter Weise technisch durchführbar sind;
  • sich auf die Umsetzung des Gesetzes über digitale Dienste (DSA) konzentrieren, um sicherzustellen, dass gegen illegale Inhalte rasch und angemessen vorgegangen wird;
  • die EU-Mitgliedstaaten sollten in die Kapazitäten und Ressourcen der nationalen Kinderschutz-Hotlines investieren, einschließlich der Sensibilisierung für die Existenz dieser Hotlines und der Stärkung ihrer Kapazitäten zur Unterstützung von Opfern und Überlebenden;
  • die EU-Mitgliedstaaten sollten auf Prävention setzen, indem sie in Präventionsprogramme für potentielle Täter oder Wiederholungstäter investieren, die Polizei- und Justizsysteme so umgestalten, dass sie kinderfreundlich reagieren und Strafregisterüberprüfungen für Personen, die mit Kindern arbeiten, vorschreiben, die Aufklärung verbessern und weitere gesellschaftliche Maßnahmen ergreifen, die den Missbrauch wirksam stoppen, bevor er geschieht.

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