Drei der bekanntesten britischen NGOs haben heute bekanntgegeben, gegen den britischen Geheimdienst Government Communications Headquarters (GCHQ) wegen illegalen Eingriffs in die Privatsphäre von Millionen britischer und europäischer Bürger Beschwerde eingereicht zu haben.
Vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte klagen Big Brother Watch, die Open Rights Group und die englische Schriftstellervereinigung PEN zusammen mit der Sprecherin des Chaos Computer Clubs (CCC), Constanze Kurz, gegen die britische Regierung. Sie werfen deren Geheimdienst vor, rechtswidrig gehandelt zu haben, indem er riesige Datenmengen des durch Großbritannien durchgeleiteten Internetverkehrs gesammelt hat, darunter Nachrichten aus sozialen Plattformen und Inhalte von E-Mails.
Mit den in den vergangenen Wochen durch die Medien bekanntgewordenen Programmen Prism und Tempora hat das GCHQ die Fähigkeit, mehr als 21 Petabytes an Datensätzen pro Tag zu speichern. Das entspricht 192 mal der Menge der Inhalte aller Bücher in der British Library.
Die Veröffentlichungen führten sowohl in Großbritannien als auch in der EU zu ernsten parlamentarischen Bedenken.
Die britische Kanzlei Deighton Pierce Glynn ist von den Beschwerdeführern mandatiert worden, beauftragt sind Helen Mountfield QC von Matrix Chambers und Tom Hickman sowie Ravi Mehta von Blackstone Chambers.
Der Prozeß wird hauptsächlich durch Spenden finanziert. Siehe: www.privacynotprism.org.uk
Nick Pickles, Direktor von Big Brother Watch, sagte: “Die Gesetze über den staatlichen Zugriff auf Internetdaten stammen aus einer Zeit, in der es kaum Breitbandanschlüsse gab, und zielten noch auf kupferbasierte Telefonleitungen ab. Das Parlament hatte damals nicht vorausgesehen und nicht die Absicht, das Abschöpfen der Details und Inhalte von jeder Kommunikation zu erlauben, daher ist es vollkommen richtig, GCHQ für seine Praktiken vor Gericht zu bringen.”
Jim Killock, Direktor der Open Rights Group, sagte: “Systeme zur Massenüberwachung sind eine Gefahr für uns alle und erlauben eine extreme Machtkonzentration bei den Geheimdiensten. Hinzu kommt die fehlende politische Rechenschaftspflicht und die fehlende gerichtliche Nachprüfbarkeit. Menschen, die in Großbritannien, Europa, USA oder sonst irgendwo auf der Welt leben, benötigen Gerichte, um ihre Rechte durchzusetzen und um einen Prozeß in Gang zu setzen, der das öffentliche Vertrauen wiederherstellt.”
Jo Glanville, Direktor von English PEN, sagte: “Datenschutz ist heutzutage zwingende Voraussetzung für die Meinungsfreiheit. Aus den Enthüllungen über das Ausmaß, in dem der GCHQ und die NSA unsere persönlichen Daten mitlesen, wird klar, daß kein Bürger in Großbritannien sicher sein kann, daß seine Kommunikation geheim ist. Wenn diese Klage erfolgreich ist, bin ich sehr zuversichtlich, daß wir eine effiziente Sicherung unserer Rechte durchsetzen können.”
Constanze Kurz, Sprecherin des CCC, sagte: “Als Europäerin möchte ich wissen, ob die Europäische Menschenrechtskonvention mich und andere Bürger in Europa vor der massenhaften Überwachung schützt. Das ist ein grenzüberschreitendes Problem, denn die britischen und amerikanischen Gesetze enthalten keinerlei Schutz gegen staatliche Überwachung für mich als Ausländerin.”
Daniel Carey, Anwalt in der Kanzlei Deighton Pierce Glynn, welche die Beschwerdeführer vertritt, sagte: “Wir fordern das Gericht auf festzustellen, daß die zügellose Überwachung eines Großteils der europäischen Internetkommunikation durch die britische Regierung und die dem zugrundeliegenden Gesetze eine Verletzung unseres Rechts auf Privatsphäre sind. Das ist nichts für die parlamentarische Geheimdienstkontrolle, sondern ein Fall für den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Wir fordern, den Fall mit hoher Priorität zu behandeln, so daß er hoffentlich innerhalb einiger Wochen formal bei der britischen Regierung eingeht. Danach wird der Zeitplan durch das Gericht festgelegt.”
Die britischen Beschwerdeführer hatten ursprünglich versucht, ihren Fall einheimischen Gerichten vorzulegen, und am 3. Juli 2013 die britischen Regierung informiert, den Rechtsweg beschreiten zu wollen. Diese ließ jedoch verlauten, britische Gerichte würden den Fall nicht bearbeiten. Stattdessen solle man sich an die parlamentarische Geheimdienstkontrolle wenden – jenes geheime Gremium, das für Beschwerden über Geheimdienste zuständig ist und dessen Ergebnisse nicht gerichtlich anfechtbar sind. Die Verhandlungen vor diesem Geheimgremium sind jedoch der Öffentlichkeit nicht zugänglich, zudem können sie das Ansinnen der Beschwerdeführer gar nicht erfüllen: ein neuer gesetzlicher Rahmen, der die Privatsphäre britischer und europäischer Bürger schützt.
Die Beschwerdeführer wenden sich daher direkt an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der bereits in der Vergangenheit festgestellt hatte, daß er die Beschwerden direkt behandeln werde, da das britische parlamentarische Kontrollgremium (IPT) kein geeignete Stelle dafür sei. Es ist anzunehmen, daß dies die erste Beschwerde zu den Veröffentlichungen über die Programme Prism und Tempora vor einem internationalen Gericht ist.
Hinweis: Twitter-Hashtag: #privacynotprism
Weitere Informationen:
Nick Pickles, Big Brother Watch: +44 07505 448925 or 0207 3406030 / press(at)bigbrotherwatch.org.uk
Jo Glanville, English PEN: +44 0771 302 0971
Jim Killock, Open Rights Group: press(at)openrightsgroup.org / +44 07894498127 / +44 020 7096 1079
Daniel Carey, Deighton Pierce Glynn: +44 0117 317 8133 / 07815 089526 / dcarey(at)dpglaw.co.uk
Constanze Kurz, CCC: constanze(at)ccc.de
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