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Bayerische Kommunalwahl 2008: Computerisierte Auszählung mit Barcodes unsicher und intransparent

2008-02-25 00:00:00, presse

Der Chaos Computer Club (CCC) weist auf erhebliche Risiken beim Einsatz softwaregestützter Barcode-Auszählungssysteme bei den Bayerischen Kommunalwahlen hin. Bei den Wahlen am 2. März 2008 sollen mehr als 8.000 Barcode-Lesestifte und PCs für die Auszählung der Stimmzettel in den Wahllokalen verwendet werden.

Bei der barcodegestützten Auszählung, die vor sechs Jahren bereits einen ersten Testlauf in Bayern absolvierte, handelt es sich um ein System bestehend aus Computer, Barcodescanner, USB-Stick und einer Software von der Anstalt für Kommunale Datenverarbeitung in Bayern (AKDB). Die einzelnen Komponenten sind trotz Lizenzierung des Verfahrens durch das bayerische Innenministerium einfach manipulierbar; zusammen ergeben sie ein erhebliches Sicherheitsrisiko für die Kommunalwahl am 2. März.

Für den Wahlvorstand, die Wahlhelfer und den Wähler ist es bei Verwendung des Systems nicht möglich, die akkumulierten Stimmen bei der Auszählung jederzeit einzusehen; dies ist nur an den Auszählstationen mittels komplizierter Prozeduren machbar. Der Sprecher des CCC, Frank Rieger, sagte dazu: Kein Wahlhelfer hat realistisch während der Auszählung einen fortlaufenden Überblick darüber, welcher Kandidat oder welche Partei wieviele Stimmen erhalten hat. Eine Manipulation im Hintergrund durch ein unsichtbares Schadprogramm ist unauffällig und ohne weiteres realisierbar. Zudem sind sowohl die Software als auch das Endergebnis auf einem tragbaren USB-Stick gespeichert – auch hier ist eine Manipulation einfach und mit geringem Entdeckungsrisiko durchführbar.

Nach Aussage eines Schulungsleiters für das System könnten die Wahlhelfer bei Benutzung des neuen Systems die Hirne ausschalten, die Software erledige alle Zählaufgaben. Eine derartige Grundeinstellung ist sicher nicht förderlich für eine demokratische, transparente Wahl.

Bei CCC-Recherchen in den Gemeinden stellte sich heraus, daß es keine allgemeingültigen Richtlinien zur Behandlung der neuen computerisierten Wahlauszählung gibt. Die Gemeinden bestimmen die Modalitäten der Auszählung mit dem manipulationsanfälligen Barcodesystem also nach Gutdünken. So lagert eine Gemeinde die Windows-Computer über Nacht unbewacht in den Wahllokalen, während eine andere Gemeinde gar die Wahlhelfer bittet, einen eigenen Rechner von zu Hause mitzubringen, auf dem dann die Auszählungssoftware laufen soll. Die Barcodestifte selbst sind denkbar einfach über spezielle Strichcodes umkonfigurierbar – dies ist auch bei der Auszählung nicht abschaltbar. So kann ein einziger manipulierter Stimmzettel in der Urne den Barcodestift, der für die Auszählung benutzt wird, umprogrammieren.

Es ist natürlich nachvollziehbar, daß die Gemeinden versuchen, Hilfsmittel einzusetzen, um die Auszählung der Stimmzettel zu beschleunigen. Dies darf jedoch kein Freibrief für den unkontrollierten Einsatz von unausgereiften Risikotechnologien sein, erläuterte CCC-Sprecher Frank Rieger die kritische Haltung des CCC. Bedingt durch die offenkundigen Mängel des Systems erscheint es ungeeignet, eine transparente Wahlauszählung, die von jedermann eingesehen werden kann, zu gewährleisten.

Die Gemeinden in Bayern sind ob dieser Neuerungen sichtlich nervös, denn die bereits angeschaffte Soft- und Hardware bringt Sicherheitsrisiken, wo vorher keine vorhanden waren. Einem technisch interessierten CCC-Mitglied wurde mitgeteilt, daß er als Wahlhelfer nicht mehr erwünscht sei, nachdem er Informationen aus seiner Wahlhelfer-Schulung im Netz öffentlich gemacht hatte. Anscheinend möchten hier Verantwortliche in Bayern Sicherheit durch Verschweigen herstellen. Nur ist die so erlangte Sicherheit immer eine trügerische – demokratisch und transparent ist dieses Verhalten jedenfalls nicht. Der CCC ruft die Gemeinden dazu auf, das barcodegestützte Auszählverfahren wegen der unkalkulierbaren Sicherheitsrisiken nicht zu benutzen und stattdessen per Hand auszuzählen.

Im Gegensatz zu den NEDAP-Wahlcomputern ist beim Barcode-Verfahren immerhin noch ein per Hand auszählbarer Stimmzettel vorhanden, der endgültiger Ausdruck des Wählerwillens ist. Sollten die Gemeinden dennoch auf das risikobehaftete System setzen, ruft der CCC alle Wähler dazu auf, an möglichst vielen Orten eine Handnachzählung ausdrücklich zu verlangen.