Hackern des Chaos Computer Club ist es gelungen, sich Zugangsberechtigungen für das sogenannte Telematik-Netzwerk zu verschaffen. An das Netz sind über 115.000 Praxen angeschlossen. Über das System sollen in naher Zukunft verpflichtend digitale Patientendaten und elektronische Rezepte ausgetauscht werden.
CCC-Sicherheitsforschern ist es gelungen, sich gültige Heilberufsausweise, Praxisausweise, Konnektorkarten und Gesundheitskarten auf die Identitäten Dritter zu verschaffen. Mit diesen Identitäten konnten sie anschließend auf Anwendungen der Telematik-Infrastruktur und Gesundheitsdaten von Versicherten zugreifen. Die Hacker stellten grobe Mängel in den Zugangsprozessen fest, und demonstrieren mit Beispielangriffen, wie sich Kriminelle Identitäten erschleichen können. Im Falle der eGK gelang dies bereits zum wiederholten Male.
Die Ergebnisse präsentiert der CCC-Sicherheitsexperte Martin Tschirsich zusammen mit dem Arzt Christian Brodowski und dem Experten für Identitätsmanagement André Zilch beim diesjährigen Chaos Communication Congress (36C3) in Leipzig. Der Vortrag kann im Live-Stream verfolgt werden und ist anschließend unter media.ccc.de verfügbar.
Wir wünschen dem deutschen Gesundheitswesen eine schnelle Genesung!
Weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit ist inzwischen die digitale Vernetzung des deutschen Gesundheitswesens weit fortgeschritten. Über 115.000 Arzt- und Zahnarztpraxen sind inzwischen an ein virtuelles Netzwerk – die sogenannte Telematik-Infrastruktur – angeschlossen. Dazu wurden diese Praxen mit Spezialhardware und elektronischen Praxisausweisen ausgestattet.
Damit ist der Weg frei für die Einführung weiterer Anwendungen: Ab der ersten Jahreshälfte 2020 werden die elektronischen Notfalldaten, der elektronische Medikationsplan sowie das sichere Kommunikationsverfahren zwischen Leistungserbringern erwartet. Am 1. Januar 2021 folgt dann die elektronische Patientenakte und somit der Einstieg in die vollständige Digitalisierung unserer Gesundheitsdaten.
Zur Gewährleistung der Sicherheit der Telematikinfrastruktur und darauf aufbauender Anwendungen wie der elektronischen Patientenakte ist die „zuverlässige und eindeutige Identifikation“ aller Teilnehmer „zwingend notwendig“.
Teilnehmer sind insbesondere Versicherte, Leistungserbringer wie Ärzte und Leistungserbringerinstitutionen wie Arztpraxen und künftig Krankenhäuser und Apotheken.
Sämtliche Zugriffe auf die Telematik-Infrastruktur werden anhand kryptografischer Identitäten gesichert.
Hierzu soll ein Trust Service Provider (TSP) nach sicherer Identitätsprüfung eines Teilnehmers dessen kryptographische Identität - bestehend aus privatem Schlüssel und Zertifikat - erzeugen und rechtsverbindlich mit dessen realer Identität verknüpfen. Die kryptographische Identität wird auf einer Chipkarte wie der Gesundheitskarte (eGK), dem Praxisausweis (SMC-B) oder dem Heilberufsausweis (eHBA) gespeichert.
Identitätsmissbrauch auf Grundlage erschlichener kryptographischer Identitäten stellt eine unmittelbare Bedrohung für den Vertrauensraum der TI und somit für die Sicherheit der auf der TI aktuell und zukünftig laufenden Anwendungen wie der elektronischen Patientenakte (ePA) dar: „Die Korrektheit der Kartenherausgabeprozesse ist – wie bei nahezu allen digitalen Prozessen in der TI – notwendige Voraussetzung“ schreibt die gematik in ihrer Spezifikation.
Dass diese notwendige Vorraussetzung nicht erfüllt ist, konnten die Sicherheitsforscher des CCC mit einfachen, rein nichttechnischen Mitteln zeigen.