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Nachruf auf Klaus Brunnstein

2015-05-21 21:01:00, 46halbe

Es gibt nicht viele Professoren in der Informatik, die sich in einem Maße gesellschaftlich einbringen und Diskussionen über technische Themen anstoßen und vorantreiben, wie er es sein ganzes Berufsleben und auch nach der Emeritierung getan hat. Klaus Brunnstein ist am 19. Mai 2015 im Alter von 77 Jahren verstorben.

Seine Leidenschaft innerhalb der Informatik war die IT-Sicherheit und das Nachdenken darüber, wie sich unsere Welt durch die Informationstechnik transformiert. Er galt manchen, nicht nur in Deutschland, als „Viren-Papst“ und betrieb an der Uni seit 1988 ein Forschungslabor für Schadsoftware und deren Bekämpfung. Bekannt wurde er bundesweit durch seinen Sachverstand im Rahmen der Verfassungsbeschwerde gegen die Volkszählung 1983, aus der das heute viel beachtete Recht auf informationelle Selbstbestimmung abgeleitet wurde. Durch das Erklären von Zusammenhängen und Prinzipien technisierter Überwachung hat er seinen Anteil an der Schaffung dieses heute grundlegenden Rechts.

Mit seiner politischen Arbeit gestaltete er die Technikfolgenabschätzung frühzeitig mit und versuchte, ihr zur nötigen Beachtung zu verhelfen. Seine Vorhersage, daß sich staatliche Apparate reichlich der digitalen Möglichkeiten bedienen werden, ist mittlerweile zweifelsohne eingetroffen, und seine Forderung nach Transparenz von staatlichem Handeln ist heute so aktuell wie vor dreißig Jahren.

Vielen Informatik-Studenten der Universität Hamburg bleibt Klaus Brunnstein als der erste Professor in Erinnerung, bei dem sie eine Vorlesung gehört haben. Jedes Jahr zur Orientierungseinheit hat er eine Vorlesung zum Thema Verantwortung als Informatiker gegeben. Darin hat er erklärt, wie die Systeme, die wir schaffen, unser aller Leben beeinflussen und wie sich dieser Einfluß auch negativ auswirken kann, wie durch Mißbrauch ein gut gemeintes Werkzeug zu einem gegenteiligen Zweck umgenutzt werden kann. Er wies mit Nachdruck auf die Verantwortung der Entwickler dieser Systeme hin.

Zum Chaos Computer Club (CCC) hat Klaus Brunnstein über viele Jahre ein ambivalentes Verhältnis gepflegt: Er hat Unsinn stets Unsinn genannt und mochte sich mit mancher Interpretation der Hackerethik nur schwerlich anfreunden. 1984 übte Brunnstein heftige Kritik am damaligen Btx-Hack, den er frei raus eine „kriminelle Handlung“ nannte; trotzdem pflegten die Hacker guten Kontakt mit ihm. Es blieb eine freundschaftliche Zuneigung, eine gegenseitige. Als Besucher auf den Congressen hat er seine fachmännische und stets pointiert vorgetragene Kritik geäußert, wo es paßte, und Diskurse vorangetrieben.

Er wird uns ein Vorbild bleiben, und wir werden ihn vermissen.

Klaus Brunnsteins Familie hat eine Kondolenz-E-Mailadresse eingerichtet: gedenken(at)brunnstein.de.