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CCC entsetzt über Softwarepatent-Äußerungen von Zypries

2004-05-28 00:00:00, fefe

Mit Entsetzen reagiert der Chaos Computer Club auf die jüngsten Äußerungen der Justizministerin Zypries zum Thema Softwarepatente.

Am 28. Mai 2004 stellte sich Zypries im Online-Streitgespräch des Heise Verlags (c't, Ix) den Fragen von ca. fünfhundert Internet-Nutzern und Software-Entwicklern. Dabei verteidigte sie die Handlungen der Bundesregierung bezüglich der umstrittenen Softwarepatentrichtlinie der Europäischen Union.

Der Chaos Computer Club fordert die Bundesregierung und das Europäische Parlament auf, Software und Algorithmen auch weiterhin generell nicht patentierbar zu halten. Konkurrenzfähigkeit und sogar das Überleben der europäischen Softwarewirtschaft sind direkt davon abhängig, daß Software und Algorithmen auch weiterhin nicht patentierbar bleiben. "Wenn das durchkommt, können wir auf Jahre niemanden mehr einstellen, weil unser Geld durch Patent-Streitigkeiten gebunden ist", sagte Ex-CCC-Vorstandsmitglied Frank Rieger, selbst Gründer eines mittelständischen High-Tech-Unternehmens.

Langfristig sollte die Europäische Union im Sinne des Chancenausgleichs auch international auf eine Harmonisierung auf das Modell der nicht patentierbaren Software und Algorithmen drängen, um einen echten Wettbewerb kleiner Unternehmen mit den etablierten Konzernen mit ihren riesigen Patentportfolios zu ermöglichen. Hier bietet sich der Bundesregierung eine gute und einfache Möglichkeit, den Versprechen zur Senkung der Arbeitslosigkeit auch Taten folgen zu lassen und neue Arbeitsplätze in einer Wachstumsbranche zu schaffen.

Die Patentpolitik der Bundesregierung wurde offensichtlich ohne Folgenabschätzung für die vornehmlich mittelständische Wirtschaft in Deutschland geplant, für die die Einführung der Softwarepatente eine existenzgefährdende Bedrohung darstellt. Ebenfalls katastrophal stellt sich die Lage für die gerade hoffnungsvoll aufkeimende Entwickler-Community freier Software wie Linux dar, weil in diesem Entwicklungsmodell Lizenzgebühren unabhängig von ihrer Höhe ein Ausschlußkriterium darstellen.

Selbst die wenigen inhaltlichen Argumente von Frau Zypries stellen sich bei näherer Betrachtung als unwahr heraus, wie z. B. ihre Darstellung, daß Patente ja lediglich sechzig Euro kosten würden und das könne sich ja jeder leisten, daher sei das gerecht. Wahr ist, daß die Anmeldung eines Patentes sechzig Euro kostet, die dazugehörige Recherche kostet nochmal 250 Euro, das Prüfungsverfahren 350 Euro und das Anmeldeverfahren für ein ergänzendes Schutzzertifikat dreihundert Euro. Dann muß man ab dem dritten Jahr jeweils noch für die Aufrechterhaltung des Patentes zahlen. Die diversen Kosten kann man dem Kostenmerkblatt des Patent- und Markenamtes entnehmen: http://www.dpma.de/formulare/a9510.pdf

Aber selbst wenn Patente kostenlos wären, stellt sich das strukturelle Problem, daß man heute keine Software mehr entwickeln kann, ohne Patente zu verletzen. Und selbst wenn man vor dem Beginn der Entwicklung ausführlich recherchiert, können Patente trotzdem während der Entwicklung erlassen werden, die am Ende die Früchte der Arbeit zunichte machen. Das Ausmaß der bereits erlassenen Junk-Patente dokumentiert der FFII eindrucksvoll auf http://webshop.ffii.org/. Der CCC weist ausdrücklich darauf hin, daß diese Patente bereits erfolgreich angemeldet wurden, im krassen Gegensatz zu den steten Beschwichtigungen der Bundesregierung, "amerikanische Zustände" würden wir in Europa schon vermeiden können, weil solche Patente geringer Erfindungshöhe gar nicht erst erteilt würden.

Der Chaos Computer Club warnt eindringlich vor Software-Patenten und ihren erstickenden Auswirkungen auf die Entwicklung freier Software in Europa und Deutschland. Das ist eines der wenigen Gebiete, in denen Europa noch weltweit technologisch an der Spitze steht. Exemplarisch seien Linux (Finnland), KDE (Deutschland) und GnuPG (Deutschland) erwähnt.

Aber auch für die mittelständische Softwarewirtschaft in Europa ist das Patentsystem in der jetzt erlassenen Fassung ein Todesurteil. Gerade in Europa besteht die Softwareindustrie zum Großteil aus kleinen und mittelständischen Systemhäusern und Beratungsunternehmen, die sich wegen des bisherigen unkritischen Patentrechtes das Anmelden von Patenten weitgehend gespart haben, während die Großunternehmen (insbesondere die internationalen Konzerne) ihre Patente üblicherweise präventiv in allen wichtigen Märkten angemeldet haben. Diese Patente werden durch die neue Gesetzgebung erstmals durchsetzbar. Wir können nicht nachvollziehen, wie eine Regierung den Unternehmen ihrer Bürger so in den Rücken fallen kann.